Bei Sahra Wagenknecht wechselt Ines Pohl den Sender. Die Lokalzeitung hat sie abbestellt. «Die war mir zu einseitig, zu rot», sagt sie. Direkt, freundlich und eleganter Kurzhaarschnitt: Das ist Ines Pohl aus Cottbus, von Beruf Friseurin – «nicht Friseuse, das entspricht nicht dem Berufsverständnis! Und außerdem ist es grammatisch falsch», erklärt sie prophylaktisch und schmunzelt.
Nach ihrem Beruf gefragt, sage sie häufig nur Unternehmerin. «Sonst stellen die Leute einem gleich blöde Fragen über die eigenen Haare.» Ach so, warum eigentlich nicht, wo man doch schon mal in Ines Pohls hübschen kleinen Salon in der Altstadt sitzt? «Sind Naturlocken, oder?», fragt sie mit kritischem Blick. «Nee, würde ich nicht kürzer machen. Lieber ein bisschen wachsen lassen, bis zur Schulter ungefähr!» Also doch kein Haarschnitt von Ines Pohl. Schade. Dabei wäre sie nicht irgendeine Friseurin – die Henry-Nonsens-Jurorin ist selbst wettkampferprobt. Sogar an Frisör-Weltmeisterschaften nahm sie teil. Zahllose Preise hat sie gewonnen. «Das war schon immer mein Traumberuf», sagt sie. «Abitur durften damals in jeder Klasse nur ein oder zwei Leute machen, und bei denen musste es dann auch … politisch stimmen.»
Als Friseurin auf Leistungsniveau hat sie dann aber zumindest deutlich mehr von der Welt gesehen als der gesinnungsstrenge durchschnittliche DDR-Bürger: Nach Polen, Bulgarien, sogar nach Kuba ist sie gereist als Mitglied der Nationalmannschaft, um mit Friseurinnen und Friseuren aus anderen sozialistischen Bruderstaaten um die Wette zu schnippeln und Galafrisuren aufzutürmen. «Pokal der Freundschaft hieß das», erinnert sich Pohl und grinst. Gewonnen hätten da meistens die Russen – «waren aber auch gut.»
Doch Schluss mit dem Plaudern über Frisuren und Politik!
Zur Sache, Frau Pohl: Ihre Nummer eins? Der Gefängnistext. «Ausgesprochen witzig» sei der gewesen. Sie würde auch »lieber in den Knast«, statt einen Strafzettel zu zahlen, sagt sie. «Für zwei Tage? Klar, ist doch wie ein Abenteuerurlaub!» Sie selbst hat auch schon mal ein Gefängnis von innen gesehen – am Tag der offenen Tür der neuen Cottbuser Justizvollzugsanstalt. Sie war beeindruckt: «Alles vom Feinsten, da fehlte nur noch die Schwimmhalle!»
Nummer 2: Als Statist beim Sex-Dreh. Dass ausgerechnet die einzige weibliche Jurorin diesen Playboy-Text so weit vorn platziert, überrascht uns dann doch.
«Eigentlich völliger Schwachsinn», sagt Ines Pohl und lacht. Dass es bei Pornos so was wie Statisten gibt, sei ihr völlig neu gewesen. Aber lustig sei die Geschichte, deswegen Silber. «Vielleicht aber auch, weil ich den Text als letzten gelesen habe. Ist ja bei Büchern auch so… wenn die letzten Seiten gut sind, vergisst man, wenn man sich zwischendrin gelangweilt hat.»
Die Bronzemedaille geht an die Reportage über den Altersanzug. «Ein paar witzige Episoden» hat Ines Pohl in der Geschichte gefunden, ein paar Dinge, sagt sie, kamen ihr auch «nicht bekannt, aber artverwandt» vor. Sie habe ab und zu an ihre Tante denken müssen.
Den Text über die verschwiegenen Ryoteis in Tokio fand Ines Pohl dagegen nicht nur langweilig, sondern auch unglaubwürdig: «Kam mir utopisch vor, könnte erfunden sein. Und auch wenn nicht: Ich kann damit nichts anfangen.» Stimmt, ein Ryotei ist ja eigentlich auch das genaue Gegenteil von einem Friseursalon.
Letzter Platz: Die Nacktkreuzfahrt. «Eine Geschichte, die die Welt nicht braucht», sagt Ines Pohl. «Was soll das, nackt auf Kreuzfahrt gehen? Find ich abartig.» FKK: ja. Aber dann lieber an der Ostsee.
Text: Margarethe Gallersdörfer
Ines Pohls Rangliste:
1
Lieber in den Knast
Von Philipp Maußhardt · Stern + NZZ am Sonntag
2
Als Statist beim Sex-Dreh
Maximilian Reich · Playboy/Focus Online
3
Gute Reise
Fabian Dietrich · Dummy Magazin
4
Jenseits der Sterne
Von Max Küng · SZ-Magazin Stil + Das Magazin
5
Nackt im Wind
Philipp Schwenke im SZ-Magazin